Wenn die meisten Menschen an Freiheit denken, assoziieren sie damit sofort etwas Vorteilhaftes und Positives.
Das liegt daran, dass Freiheit oftmals im direkten Zusammenhang damit steht, wie viel man mit seinem Leben anstellen kann.
Je mehr Freiheit man hat, desto mehr Möglichkeiten hat man, das zu tun, was man will, oder?
Ich behaupte, dass die meisten von uns hier auf diesem Planeten die meiste Zeit ihres wachen Lebens dafür arbeiten, die Freiheit, die wir haben, zu erweitern.
Wir kämpfen gegen die genetische und finanzielle Lotterie, in die wir hineingeboren wurden, um eines Tages aufzuwachen und uns sagen zu können:
“Ich kann endlich tun und lassen, was auch immer ich will. Ich mach nur noch was ich will, wann ich will, wo ich will, wie ich will und mit wem ich will…”
Ich glaube jedoch, dass diese Art des Denkens ein paar Fallstricke mit sich birgt und dazu führen kann, dass du noch mehr leidest als jemand, der weniger Freiheit hat als du.
Oft finden wir uns in diesen grenzenlosen Möglichkeiten oft überfordert, gestresst und paradoxerweise weniger zufrieden wieder.
Haben wir also im Hier & Jetzt bereits mehr Freiheit, als wir vielleicht glauben mögen?
Wann ist zu viel Freiheit, zu viel?
Und, sollten wir wirklich nach der berüchtigten Freiheit streben?
Wenn ich hier über Freiheit rede, dann spreche ich über die Freiheit der Wahl.
Sie wird oft als fundamentales Menschenrecht und Grundpfeiler unserer modernen Gesellschaft gefeiert.
Wir schätzen die Möglichkeit, unsere Lebenswege selbst zu bestimmen, sei es die Wahl der Cornflakes oder unseren beruflichen Werdegang.
Als ich noch ein Teenager war, hatte ich so ziemlich alle Freiheiten der Welt.
Abgesehen davon, dass ich zur Schule ging, war ich an keine klare Richtung gebunden was ich aus meinem Leben machen wollen würde, weil ich noch keine wirkliche Identität für mich gefunden hatte.
Wann immer ich also mit der Frage konfrontiert wurde, was ich später einmal machen wollen würde, scheiterte es immer daran, dass ich einfach keine Ahnung hatte - schließlich gibt es ja so viele zahlreiche Optionen, was man machen kann.
Wenn auch du in einem Haushalt aufgewachsen bist, in dem deine Eltern dich mit Nahrung und einer Unterkunft versorgen konnten und du dir in deiner Kindheit nie wirklich Gedanken um die Finanzen machen musstest, hast du wahrscheinlich auch diese Fülle an Wahlmöglichkeiten gespürt - und natürlich will man seinen Eltern auch irgendwas zurückgeben können…
Aber genau dieser Überfluss an Wahlmöglichkeiten ist es, der mich irgendwie ins Elend getrieben hat.
Unsere moderne Welt bietet eine endlose Anzahl von Entscheidungsmöglichkeiten.
Du musst bloß mal in einen Supermarkt gehen, und du wirst bereits mit unzähligen Müsli-Marken und einer Vielzahl von Geschmacksrichtungen konfrontiert.
Sollte eine höhere Anzahl an Möglichkeiten nicht eigentlich zu mehr Glück führen?
Ist es nicht großartig, dass wir heute mehr Möglichkeiten haben als, let's say, damals, als Deutschland noch zweigeteilt war?
Im Grunde genommen ist es komplett egal, was du machst.
Du könntest einen Weg einschlagen, ihn später wieder über Bord werden und einen neuen Weg ausprobieren.
Wenn deine Eltern dich drängen, zur Uni zu gehen, und dich zwingen, einen bestimmten beruflichen Weg einzuschlagen, könntest du dich auch einfach dagegen wehren.
Hell, du könntest sogar von Hartz IV leben, wenn du das wirklich wollen würdest.
Nach meinem Abi hatte ich also schließlich alle Freiheiten der Welt.
Doch anstatt diese Freiheiten voll und ganz auszuleben, haben sie mich eher dazu gebracht, zahlreiche verschiedene Geschäftsmodelle auszuprobieren.
Ich hab' als Webdesigner gearbeitet. Ich hab' als Übersetzer gearbeitet. Ich habe Nachhilfe in Englisch gegeben…
In gewisser Weise habe ich die Freiheit, die ich hatte, aktiv minimiert, indem ich Verantwortung übernommen und meinem Leben eine gewisse Struktur verliehen habe.
Anscheinend habe ich mir aktiv weniger Freiheit geschaffen, die ich noch als Kind hatte, da ich nicht wusste, wer ich war und was ich in meinem Leben anfangen wollte.
Aber genau diese Struktur führte dazu, dass ich in meinem alltäglichen Leben viel glücklicher war, weil ich nicht die lähmende Qual verspürte, die diese Vielzahl an Möglichkeiten mitsichbrachte.
Vielleicht hast auch du schon einmal Werbung von Leuten gesehen, die die Idee der Freiheit propagieren.
Sie führen ein Leben in völliger Freiheit. Hand auf's Herz, das willst du doch bestimmt auch, oder nicht?
Aber was du nicht realisierst, ist, dass du bereits ein Leben in Freiheit führst.
Es ist nur die Qual der Wahl, welche uns verblendet. Das Überangebot an Auswahlmöglichkeiten führt zu Angst, Unzufriedenheit und sogar Lähmung.
Dieses Phänomen ist in unserer “modernen” Gesellschaft so weit verbreitet, dass es häufig als "Paradox of Choice" beschrieben wird.
Wenn wir mit zu vielen Optionen konfrontiert werden, können Entscheidungsmüdigkeit, Stress und die Angst, die falsche Wahl zu treffen, auftreten.
Diese Überlastung kann überwältigend sein und uns ironischerweise unglücklicher machen, als wenn wir weniger Auswahlmöglichkeiten hätten.
Vielleicht ist das auch einer der Gründe, weshalb mir ältere Menschen immer wieder erzählen, dass sie in "der guten alten DDR" scheinbar glücklicher waren, als in der heutigen Zeit.
Sie hatten zwar weniger Freiheiten, aber sie hatten ihre Ruhe und waren angeblich gelassener.
Auch wenn ich ihnen zu einem gewissem Maß zustimme, argumentiere ich gerne dagegen, denn ehrlich gesagt bin ich froh darüber, nicht in der ehemaligen DDR aufgewachsen zu sein.
Ich glaube, es gibt tatsächlich einen Sweet Spot, den wir finden können. Ein Ort, an dem wir genug Entscheidungsfreiheit haben, aber nicht von der Angst gelähmt werden, die zu viel davon mit sich bringt.
Ein Sweet Spot, der die höchste Zufriedenheit in einem selbst erzeugt.

Wenn das zutrifft, dann musst du zumindest eine allgemeine Vorstellung davon haben, was du anstrebst und zu wem genau du werden möchtest.
Aber hänge niemals so sehr an dieser Identität fest, dass du, wenn du gezwungen wärst, etwas anderes zu tun oder jemand anderes zu sein, nicht in der Lage wärst, dein Leben weiterführen zu können.
Wenn man die völlige Freiheit hat, sein Leben zu gestalten und zu entscheiden, welchen Lebensweg man einschlagen möchte, sollte man als erstes alle Aspekte eliminieren, die man nicht einschlagen möchte.
Nutze die Freiheit, um deine Optionen zu erkunden, bis du etwas findest, dem du dein Leben widmen möchtest. Setz' die Absicht für deine Zukunft und eliminiere alle Identitäten, die dir nicht dienen.
Aber gib acht, dass deine Identität nie zu viel Macht über die inhärente Fluidität unserer menschlichen Natur gewinnt, welche in der Tat eine sehr fließende Sache ist.
Unsere Identitäten sind die Konstrukte, die unser menschliches Bewusstsein erschafft, um uns selbst zu definieren und unsere Wahrnehmung der Welt zu strukturieren.
Sie basieren auf unseren Erfahrungen, Überzeugungen und Werten und dienen als Maßstäbe, an denen wir unser Selbstwertgefühl bemessen.
Diese Identitäten können vielschichtig und komplex sein, und sie beeinflussen, wie wir uns in Beziehungen zu anderen Menschen verhalten.
Ähnlich wie zu viel Freiheit für die Menschen überwältigen sein kann, kann auch ein übermäßig starres “Festhalten” an einer bestimmten Identität negative Auswirkungen haben, da es uns daran hindert, uns selbst weiterzuentwickeln und uns an Veränderungen anzupassen.
Es ist wichtig, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Identität und Anpassungsfähigkeit zu finden - bis du an dem besagten "Sweet Spot" angelangst.
Wenn du dich nun fragst, worauf ich mit all dem hier hinaus möchte...
Nun ja, ich liefere einfach gerne etwas Bewusstseinsverändernden Content ab.
Ich plädiere dafür, die Idee der Freiheit voll und ganz zu streichen und das Konzept der Autonomie zu übernehmen.
Denn wenn sich die meisten Menschen einreden, dass sie “frei sein” wollen, dann sagen sich in Wirklichkeit, dass sie ein Leben in Autonomie führen möchten.
Autonomie impliziert die Fähigkeit, bedeutsame Entscheidungen im Einklang mit unseren Werten und Wünschen zu treffen.
Sie erfordert nicht unbedingt eine Fülle von Möglichkeiten; vielmehr geht es um die Qualität und Relevanz der Entscheidungen, die wir haben.
Autonomie gibt uns die Befugnis, unser Leben mit einem Gefühl von Sinnhaftigkeit, dem Gefühl etwas positives zu bewirken und Authentizität zu gestalten.
Die Suche nach Autonomie beinhaltet oft, unsere Entscheidungen zu vereinfachen, uns auf das zu konzentrieren, was für uns wirklich wichtig ist, und die unnötige Komplexität abzulegen, die mit übermäßiger Freiheit einhergehen kann.
Es geht darum, unsere eigenen Wege zu definieren, unsere eigenen Ziele zu setzen und gemäß unseren eigenen Grundsätzen und Prinzipien zu leben.
Im Wesentlichen, wenn wir die Idee der Freiheit genauer betrachten, entdecken wir ein tieferes Verlangen nach Autonomie - die Fähigkeit, unser Leben so zu gestalten, dass es mit unserem wahren Selbst in Einklang steht.
Es handelt sich um die Fähigkeit, die Fülle des Lebens zu genießen, ohne von seiner Komplexität überwältigt zu werden.
Letztendlich bietet uns Autonomie eine erfüllendere und nachhaltigere Form der Freiheit.
Wenn du beispielsweise einen Job ausführst, den du liebst, und dir völlig frei steht, wie du dir deinen Tag einteilst, dann bist du nicht per se “frei”, sondern dein Arbeitgeber schenkt dir das Vertrauen und die Freiheit autonom arbeiten zu dürfen.
Ist ein Leben in völliger Freiheit überhaupt möglich?
Ich bin mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, ob man ein völlig richtungsloses oder führungsloses Leben führen kann, denn ich persönlich bin und war schon immer eine recht zukunftsorientierte Person.
Dennoch ist es faszinierend zu überlegen, wie es wäre, in einem Leben ohne klare Ziele und Identität zu stecken.
Wenn ich mich in die Lage dieser Menschen versetze, denke ich sollten sie die Freiheit erkunden, ohne die Absicht, etwas von ihr zu bekommen, sondern sie so zu erkunden, wie sie ist.
Diese Freiheit könnte eine der wertvollsten Erfahrungen sein, die du machen kannst.
Wenn du aufhörst aktiv, einen größeren Sinn in deinem Leben zu finden, sparst du dir den Kummer, wenn du ihn nie finden wirst.
Diese Denkweise scheint mir viel angenehmer zu sein, als die all der Menschen, die nur an etwas teilnehmen, wenn sie einen klaren Sinn darin erkennen.
Es erinnert mich an die Idee des "flow", des vollständigen Aufgehens in einer Aktivität, ohne über das Ergebnis besorgt zu sein.
"Der optimale Zustand des inneren Erlebens ist ein Zustand, in dem Ordnung im Bewusstsein herrscht.
Dies geschieht, wenn die psychische Energie - oder die Aufmerksamkeit - in realistische Ziele investiert wird und wenn die Fähigkeiten den Handlungsmöglichkeiten entsprechen.
Die Verfolgung eines Ziels bringt Ordnung in das Bewusstsein, weil der Mensch seine Aufmerksamkeit auf die anstehende Aufgabe konzentrieren und alles andere für einen Moment vergessen muss."
Flow.
Vielleicht strebst du keine konkreten Ziele mehr in deinem Leben an, was durchaus eine hilfreiche Denkweise sein kann.
Vielleicht lebst du dein Leben auch in kompletter Fluidität, oder wie meine Oma immer sagt: “in den Tag hinein leben.”
Keine dieser Lebensweisen ist richtig oder falsch, sondern nur unterschiedliche Wege, die das Leben anbietet.
Du kannst wählen, ob du deine Identität und Richtung aus deinen Handlungen und Erfahrungen heraus entwickelst oder ob du eine vorgefertigte Rolle annimmst, um dazuzugehören.
Das ist eine erfrischende Sichtweise, die den Druck lindert, den einige von uns empfinden, wenn wir denken, dass sie ihr Leben in den Zwanzigern auf der Kette haben müssen. Die 20er dienen in meinen Augen dafür, so viel wie möglich auszuprobieren, um irgendwann dein Spezialgebiet für dich zu entdecken.
(sei Musik, Kunst, Literatur, Geschichte, Architektur, Marketing, Vertrieb, Skaten oder in meinem Fall Psychologie und Philosophie - whatever)
Diese Perspektive erlaubt uns, die Freiheit zu genießen, unser eigenes Tempo zu bestimmen und uns von sämtlichen Erwartungen anderer zu lösen.
Es wird dir helfen, eine der wahrscheinlich wichtigsten Fragen zu beantworten:
Möchtest du eine Identität und Richtung im Leben haben, nur weil du dazugehören möchtest und andere Menschen dich dadurch mehr akzeptieren?
oder möchtest du tatsächlich ein Ziel haben, auf das du zu steuern kannst, und eine Identität, die du verkörpern kannst, weil dich die Verantwortung erfüllt, die damit einhergeht?
Wahre Freiheit bedeutet lediglich, die Lektion der Selbstbestimmung zu lernen und die Verantwortung für dein eigenes Glück und menschliches Dasein zu übernehmen - und dich nicht mit irgendeinem Dulli an einem schönen Strand in Thailand zu vergleichen.
Warum kommen in ihren Werbebotschaften eigentlich nie diese Art von Stränden vor?

Menschen, die ihr Leben völlig fließend leben, sind wie Künstler, die auf der Leinwand des Lebens malen, ohne sich von den vorgegebenen Strukturen festlegen zu lassen.
Möglicherweise haben sie sich die Vorstellung zu eigen gemacht, dass nichts, was man tut, für immer in Erinnerung bleiben wird, und nehmen daher keine klare Identität an.
Sie sind Meister des Wandels und sehen die Schönheit im Flüchtigen.
Für einige kann diese Herangehensweise äußerst befreiend sein und eine tiefe Verbindung ermöglichen, während sie für andere existenzielle Ängste hervorrufen kann – ich denke, die Wahrheit liegt hier irgendwo in den Nuancen.
Ob du eine richtungslose oder eine richtungsbasierte Herangehensweise an das Leben wählst oder nicht, liegt letztendlich ganz bei dir Selbt. Choose wisely.