Ach ja, das Internet…
Der magische Ort an dem wir alle unsere Gedanken teilen. Es ist wie ein Fluch und ein Segen.
Zum einen teilen wir nicht nur unsere Gedanken, sondern sind mehr denn je davon überzeugt wie richtig wir liegen.
Daher hier ein paar Grundsätze, wenn es darum geht Ratschläge an andere zu geben.
Du weißt schon, weil auch ich einfach immer Recht haben muss!
Diese sechs Prinzipien sind auf jeden Lebensbereich anwendbar - egal ob du deiner Nichte dabei hilfst, sich gegen Mobbing in der Schule zu wehren.
Ob du die Theorien eines ominösen Dating-Coaches kommentierst oder du deinem kleinen Bruder Lebensweisheiten an die Hand gibst.
Wenn du jemanden wirklich von Herzen weiterhelfen willst, dann beachte diese sechs Prinzipien.
1. Will die Person einen Rat?
Glaub mir, ungebetene Ratschläge sind wie 'ne lästige Mücke - einfach nur nervig!
Niemand hört gern auf 'nen neugierigen Besserwisser. Also versichere dich lieber, dass deine Hilfe auch echt gewünscht wird.
Zum Beispiel: Deine Schwester erzählt dir von ihren Beziehungsproblemen.
Schlechter Ratschlag: “Weißt du, ich hab' da so 'ne Liste von Dingen, die du tun solltest, um deine Beziehung zu retten. Euch fehlt die Zuneigung und ihr solltet mehr Zeit miteinander verbringen, romantische Abendessen planen und euch gegenseitig Komplimente machen. Oh, und wenn er dir nicht täglich sagt, dass er dich über alles auf der Welt liebt, dann ist es eine „red flag“ und du solltest gut auf dich aufpassen!”
Okay, okay, ich gebe zu, das klingt vielleicht etwas übertrieben, aber du verstehst den Punkt.
Manchmal wollen Menschen einfach nur reden und ihre Gedanken teilen, ohne dass sie gleich 'nen ganzen Beziehungsratgeber vorgesetzt bekommen oder du ihre Probleme löst.
Also sei lieber 'n aufmerksamer Zuhörer, bevor du mit überschüssigen Ratschlägen um dich wirfst.
2. Hast Du wirklich Ahnung wovon Du sprichst?
Die zweitgrößte Sünde beim Erteilen von Ratschlägen ist es, jemandem Ratschläge zu erteilen, wenn man selbst nicht über die entsprechende Erfahrung verfügt.
Am liebsten sind mir hier Coaches, die vom BESTEN Geschäftsmodell 2023 sprechen, aber ihr Geld damit verdienen, dir zu erzählen, was das beste Geschäftsmodell dieses Jahres ist…
Die Leute, die du damit erreichst, merken das vielleicht nicht, aber ich garantiere dir, dass Menschen, die über die nötige Erfahrung verfügen, es sofort bemerken.
Und glaub mir, du verlierst sofort die Glaubwürdigkeit. Wie das alte Sprichwort sagt: "Wer glaubt, alles zu wissen, lernt nichts neues."
Wenn du keine direkte Erfahrung hast, aber glaubst, eine wichtige oder nützliche Bemerkung machen zu können, dann relativiere deine Worte:
"Ich hab’ dieses Problem noch nie gehabt, aber es scheint mir...", "Ich bin mir nicht zu 100% sicher, aber meine Intuition sagt mir..."
Häufig ist es eben genau die Sprache in Superlativen (der BESTE Ernährungsplan zum Abnehmen, der SCHNELLSTE Weg reich zu werden, der SICHERSTE Job, der SCHLECHTESTE Ratschlag etc.), welche uns das eigenständige Denken abnimmt.
Gute Marketer haben das in der Tiefe verstanden, aber ich empfehle dir, die Dinge für dich kritisch zu hinterfragen.
(selbst diesen Post hier)
3. Hol die Person dort ab wo sie ist, nicht dort wo Du bist.
Wie die Taxifahrer immer so schön sagen: “Man kann die Menschen nur dort abholen, wo sie sind.”
Wenn du selber schon Erfahrungen gesammelt hast und weißt, wovon du sprichst, ist es wichtig, anderen deine eigene Geschichte nicht aufzuzwingen.
Vielen von uns fällt es sehr schwer, über uns selbst hinauszuwachsen und uns in die Lage anderer Menschen hineinzuversetzen.
Oft neigen wir dazu, unsere eigenen Probleme und Erfolge auf andere zu projizieren, obwohl es sehr selten gerechtfertigt ist.
Wenn du anderen Menschen Ratschläge gibst, die sich nur auf deine eigene Lebenssituation beziehen und nicht auf die der anderen Person, ist es bestenfalls ineffektiv und im schlimmsten Fall einfach nur peinlich.
Es ist super wichtig, sensibel zu sein und sich in die Schuhe der anderen Person zu begeben, damit deine Ratschläge auch wirklich hilfreich sind.
Beispiel:
Jemand erzählt dir, wie ihre WG-Mitbewohnerin sich an ihrem Eigentum zu schaffen macht, unter der Begründung sie lege den Kapitalismus ab.
Deine Antwort:
"Oh, mein Gott. Stell dir vor ich hatte auch mal so einen durchgeknallten Mitbewohner.
Er ist erst vor kurzem ausgezogen und war genauso. War ständig laut, hat nie aufgeräumt, den Kühlschrank leer gefressen und sich an meinen Wertsachen zu schaffen gemacht. Was du tun solltest, ist ihr klipp und klar sagen, dass du so nicht weiterleben kannst. Wenn sie das nicht versteht, dann schmeiß sie umgehend aus deiner WG!"
Nun, es mag vielleicht sein, dass dein alter Mitbewohner nicht auszuhalten war, aber das heißt nicht, dass du eine ähnliche Situation mit deiner gleichsetzen kannst.
Vielleicht hat diejenige, die dir von ihrem Streit erzählt, einen anderen Umgang mit Konflikten und möchte gar nicht sofort die WG oder die Mitbewohnerin wechseln.
Dadurch, dass du dich nur auf deine eigene Lebenserfahrung beziehst, erreichst du nicht wirklich, dass sich die Person verstanden fühlt.
Stattdessen könntest du beispielsweise auch so etwas sagen:
"Ohh ye, dass klingt echt nach einer schwierigen Situation. Hast du schon versucht, offen mit ihr darüber zu sprechen, damit ihr einen Kompromiss finden könnt?
Manchmal kann eine ganz klare Kommunikation Wunder bewirken."
Hiermit zeigst du Empathie und ermutigst die Person, ihre eigene Lösung zu finden, anstatt ihr deine eigene Geschichte aufzudrängen.
4. Psychoanalyse ist schlichtweg herablassend
Einer der häufigsten Fehler, in der Welt der Persönlichkeitsentwicklung, beim Thema Dating-Tipps, NLP-Coaches, Lehrern, selbst Psychologen und Therapeuten oder sämtlichen Führungskräften ist es, ungefragte Psychoanalyse zu betreiben.
Du könntest sogar recht haben, aber es wird niemandem wirklich weiterhelfen.
Der schnellste Weg, sich selbst ins Aus zu schießen ist, wenn man versucht anderen zu sagen wer sie sind, warum sie so denken, wie sie denken und immer wieder die selben banalen Fehler machen.
Schlimmer wird es, wenn du auch noch anfängst Vermutungen über ihren Charakter, ihr Leben oder ihre Vergangenheit aufzustellen.
Es geht darum, die Menschen dort abzuholen, wo sie gerade sind.
Aber nur, weil du etwas bemerkst, heißt das noch lange nicht, dass du es gleich korrigieren musst.
Wenn deine Tochter schon wieder nur auf Social-Media abhängt, dann musst du ihr nicht gleich vorhalten, wie ihre “Sucht sie krank im Kopf macht” und sie sich im „echten Leben” aufhalten sollte.
Wenn jemand eine negative Einstellung hat und glaubt, dass die Welt gegen sie verschworen ist, wird es der Person nicht helfen, wenn du ihr das vorhältst.
Es führt nur dazu, dass sie dich als herablassend empfindet und dich als Teil der gegen sie gerichteten Welt sieht.
Am besten ist es, ihre Fragen einfach und verständlich zu beantworten, ohne gleich alles analysieren zu wollen.
Beispiel für schlechte Ratschläge:
Jemand gibt öffentlich zu, dass er mit 29 noch Jungfrau ist und spricht darüber, wie schwierig es für ihn ist, in der heutigen Dating-Landschaft die passende Partnerin zu finden.
Deine Antwort: “Hör mal, du kommst anscheinend aus einem schwierigen Familienkonstrukt und erwartest, dass alles schiefgeht, bevor du es überhaupt jemals versucht hast. Dein Selbstwertgefühl ist im Keller, und deine Einstellung verstärkt das nur noch.”
Du könntest sogar Recht haben, aber Psychoanalyse ist bestenfalls ineffektiv und schlimmstenfalls einfach nur peinlich.
Eine Falle, in die ich selbst noch immer tappe, wenn ich versuche (insbesondere “älteren”) Menschen zu helfen.
Ich stoße oft auf Leute im mittleren Alter, die in ihrer depressiven Mid-Life Crisis festhängen.
Wenn diese Menschen nun Ratschläge von einem 23-jährigen erhalten, nehmen sie mich oftmals überhaupt nicht ernst, und ich bekomme so etwas wie:
“Mit Anfang 20 war ich auch noch glücklich und optimistisch.“ zu hören.
Der Generationskonflikt herrscht und wird auch immer existieren und es mag sein, dass die Lebensfreude im zunehmenden Alter abnimmt, doch ich kenne genauso gut 50, 60, 70-jährige, die glücklicher sind, als je zuvor in ihrem Leben.
Deshalb müssen “alte” Menschen Wege finden, um die Lebenserfahrung und Weisheit, die ihr Alter mit sich bringt, zusammen mit kindlicher Neugier und Staunen in Einklang zu bringen.
Könnte nur dann schwierig werden, wenn du eine scheiß Kindheit hattest.
Es gibt Momente, in denen Menschen nach tiefgreifenden Beobachtungen zu ihren Denkweisen suchen, in solchen Fällen kann die Arbeit am “inneren Kind”, einer Analyse der Familiendynamik, kognitiven Verzerrungen, traumatischen Erlebnissen etc. hilfreich sein.
Aber wenn kein Vertrauen besteht, sie ihren “Guard” noch nicht fallen gelassen haben, nicht explizit danach fragen und sich dir noch nicht emotional geöffnet haben, ist es besser, es einfach sein zu lassen.
Oftmals macht es die Dinge nur noch schlimmer (als sie eigentlich sind) wenn du anfängst, Vermutungen über den Charakter, ihr Leben oder ihre Vergangenheit aufzustellen.
5. Kritisiere ihre Handlungen, nicht ihren Charakter
Hast du schon mal das Sprichwort: "Liebe den Sünder, hasse die Sünde" gehört?
Es ist wichtig, die Handlungen einer Person von ihren Absichten zu unterscheiden und sie nicht sofort zu verurteilen.
Es ist überraschend, wie oft Menschen mit guten Absichten trotzdem dumme Dinge tun. (mich eingeschlossen)
Jeder, der mit kritischen Eltern aufgewachsen ist, weiß ganz genau, wie frustrierend es ist, wenn jemand deinen Charakter aufgrund eines kleinen Fehlers beurteilt, den du gemacht hast.
Oder dir diesen Fehler gar Jahre später noch immer vorhält…
Als bestes Beispiel können wir hier erneut das Thema Dating nutzen:
Ein Typ spricht eine Frau auf der Straße an und fragt nach ihrer Nummer. Sie lehnt sofort ab, mit der Begründung sie hätte einen Freund.
“Ja, da sind wird schon bei dem Problem. Ich bin doch ein hübscher Dude, oder etwa nicht?”
Die Frau läuft langsam los, aber er folgt ihr und fragt woran es liegt: “Ist es meine Frisur, meine Kleidung, fehlt die teure Uhr?”
*Ihre Schritte werden schneller*
“Hey was ist denn bitte los mit dir? Antworte mir doch!”
*Jetzt rennt sie, während er verdattert stehen bleibt*
Schau, ich bin unter vier Schwestern aufgewachsen und ein klein wenig voreingenommen.
Aber glaub mir, ich hab Empathie für Frauen, sowohl als auch für die Männer.
Für Frauen ist es diese rücksichtslose, respektlose, entmenschlichende, ungewollte Aufmerksamkeit, mit der sie “angemacht” werden - oder wohl eher an die abgrundtiefen Klippen der sexuellen Nötigung gedrängt werden.
Und für viele entwickelte, reife Männer sind es eben oft genau diese paar schlechten Äpfel, die das gesamte Fass ruinieren.
Die meisten Leute würden hier einen fremdschämenden Ratschlag erteilen:
"Hey, hast du etwa keinen Respekt vor Frauen? Vielleicht solltest du einfach nur aufhören, sie anzusprechen, wenn du auf diese Art & Weise vorgehst. Das ist komplett daneben."
Das Problem hierbei ist jedoch, dass es einfach nicht hilfreich ist.
Besserer Ratschlag:
Hey, es mag vielleicht sein, dass die Frau keinen Freund hat, sondern dies nur als Notlüge nutzt.
Aber wenn du hörst, dass sie einen Freund hat, dann probier doch mal sowas wie:
"Oh, na da kann er sich echt glücklich schätzen. Alles Gute euch beiden.”
Klar, fühlt sich eine sexuelle Ablehnung im ersten Moment echt mies an, aber hierdurch bleibst du respektvoll ihren Grenzen gegenüber, charmant und wer weiß…
…wenn die Frau reif entwickelt ist, wirst du vielleicht noch so etwas wie: “Aber freut mich, dass du mich angesprochen hast", zu Ohren bekommen.
6. Kein Mensch ist dir irgendetwas schuldig
Okay, hör mal, nur weil du den ganzen Tag damit verbringst, Ratschläge zu verteilen, heißt das nicht, dass die anderen sich daran festklammern müssen.
Und nein, sorry, du kannst nicht erwarten, dass sie dir dafür ewig dankbar sind oder dir eine Trophäe verleihen.
Es ist doch wirklich komisch, wie manche sich tierisch darüber aufregen, dass ihr grandioser Ratschlag ignoriert wurde oder zu wenig Leute auf ihrem Seminar erscheinen.
Niemand ist dazu verpflichtet deinen Rat anzunehmen. Es ist ihr Leben, und sie machen ihre eigenen Moves.
Dein Job besteht lediglich darin Wegweiser aufzustellen.
Wenn sie sich von dem, was du sagst, inspirieren lassen, cool. Wenn nicht, na dann ist das eben so - hör auf zu glauben, dass du einen Preis dafür bekommst.
Ratschläge sind ein Geschenk. Und du verteilst sie bedingungslos, ohne eine Belohnung zu erwarten.
Und somit kannst Du den Rat dieses Artikels annehmen, ausprobieren, umsetzen und zum Impulsgeber werden oder ihn einfach wieder direkt über Bord werfen.
Decision, decisions, decisions….